Leitfaden IoT-Workshop

Dieser Leitfaden beschreibt eine Herangehensweise und Reihenfolge für einen „Predictive Maintenance Proof-of-Concept“ bzw. einen IoT-Workshop. Einzelne Schritte und Aktivitäten sollten nicht übersprungen oder ausgelassen werden. Dennoch ist eine individuelle Anpassung natürlich möglich und u. U. auch wirklich sinnvoll. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass eine intensive Analyse zu Beginn immer hilfreich ist und nicht zu schnell mit der Platzierung von zusätzlicher Sensorik begonnen werden sollte.

Anlagenanalyse

Kernfrage: was wissen wie bereits?

  • Was wissen wir bereits über den aktuellen Zustand der Anlage?
  • Welche Technologien werden bereits eingesetzt?
  • Welche Daten werden bereits erhoben?
  • Welche Datenströme bestehen bereits?

WEITERE BEISPIELFRAGEN

Sensorik – was wird bereits gemessen?

  • Welche Sensoren sind bereits vorhanden und wie sind diese eingebunden?
  • Welche Technologien und Standards nutzen die vorhandenen Sensoren?
  • Wie werden fehlerhafte Sensoren identifiziert und ausgetauscht?
  • Kommunizieren die vorhandenen Sensoren ausschließlich mit der Steuerung oder auch mit der Außenwelt?
  • Werden die Messwerte bereits analysiert? Wer kann die Messwerte einsehen?
  • Wird die Qualität der gefertigten Produkte erfasst bzw. digital gemessen?

Technologien – welche sind bereits im Einsatz?

  • Welche Technologien sind an welchen Stellen im Einsatz?
  • Zu welchem Zweck werden die vorhandenen Technologien genutzt?
  • Können diese Technologien auch für weitere Zwecke eingesetzt werden?
  • Welche Formen der Kommunikation (Protokolle etc.) nutzen die vorhandenen Technologien?

Datenströme und Anwendungen – wie fließen die Daten?

  • Ist die Anlage bereits digital vernetzt? Wenn ja, wie?
  • Welche Protokolle und Kommunikationsroutinen sind im Einsatz?
  • Welche Daten können von außen eingesehen und verarbeitet werden?
  • Welche Anwendungen werden im Zusammenhang mit der Anlage genutzt
    (z. B. ERP; MES, …)?
  • Welche Anwendungen zur Auswertung und Visualisierung von Daten stehen zur Verfügung?
  • Gibt es bereits Machine Learning Systeme im Unternehmen?
  • Sind bereits RPA-System im Einsatz?
  • Im welchen Formaten liegen die Daten vor?
  • In welchen Formaten können die Daten bereitgestellt bzw. exportiert werden?

Analyse des Betriebs der Anlage

Kernfrage: Was wollen wir noch wissen?

  • Welche Schwachstellen der Anlage sind bekannt?
  • Welche Qualitätsproblemen treten auf?
  • Welche Störungen treten regelmäßig auf?
  • Welche Erfahrungen mit der Anlage bestehen vor Ort?
  • Welche Verbräuche (Medien, Strom, Kraft-, Hilfs- und Betriebsstoffe) gibt es?
  • Welche Prozesse werden mit der Anlage gefahren? Gibt es hierbei (bei bestimmten Prozessen) Auffälligkeiten?

Für diesen Schritt stehen im Normalfall viele hilfreiche Dokumentationen bezüglich des Betriebs der Anlage zur Verfügung – z.B. Fehler- und Störmeldungen, Wartungspläne, Qualitätsberichte und Verbrauchsdaten. Zusätzlich besteht hierzu auch undokumentiertes Wissen, welches unbedingt genutzt werden sollte: Die Erfahrungen mit der Anlage der Menschen vor Ort! Hierfür bietet es sich natürlich an, Interviews vor Ort zu führen.

Technologie auswählen und kennenlernen

z. B. LPWAN, NB-IoT, I/O-Link

Kernfrage: Was kann die gewählte Technologie und was nicht?

  • Welche Technologien und Standards wollen wir einsetzen?
  • Was sind die Fähigkeiten und Grenzen der gewählten Technologie?
  • Wie funktioniert sie konkret (Inbetriebnahme, Einstellungen, etc.)?
  • Welche Elemente und Sensoren stehen konkret zur Verfügung?
  • Was können die jeweiligen Sensoren und was nicht?

Bevor es an die Anbringung und Platzierung der zusätzlichen Sensorik geht, sollte die Technologie bereits ausprobiert werden. In einer Laborsituation – z. B. in einem Besprechungsraum – können bereits verschiedene mögliche Stolperstellen identifiziert und bearbeitet werden. So kann die Umsetzung vor Ort später deutlich schneller erfolgen. Zudem wird in diesem Schritt bereits geklärt, was vielleicht nicht geht und welche Sensoren geeignet/ungeeignet sind. Hierbei wird auch ein Grundwissen Sensorik eingesetzt oder aufgefrischt. Auf diesem Wege werden mögliche Frustrationen im weiteren Verlauf deutlich reduziert und der Plan für die Umsetzung wird nochmals überprüft und konkretisiert.

Sensoren auswählen und anbringen

Kernfrage: Wie und wo messen wir zusätzlich gewünschte Daten?

  • Wo können wir Sensoren anbringen und wo nicht (CE-Zeichen, functional safety etc.)?
  • Welche Sensoren sind an welchen Positionen zu welchem Zweck geeignet?
  • Wie und wo platzieren wir die zusätzlichen Sensoren konkret?
  • Wie (in welchen Format) und wo (in welcher Anwendung) werden die Messwerte erfasst?

Mit den Technologien von heute können hier recht schnell Sensoren angebracht werden. Auch können relativ einfach verschiedene Experimente mit den Sensoren und deren Position durchgeführt werden. Hier kann also auch einfach probiert, weiter gelernt und neu angepasst werden. D. h. auch, dass nicht alle gewählten Sensoren und Positionen von Anfang an hundertprozentig stimmen müssen.
Lieber ausprobieren als zu lange planen.

Sensoren einstellen, Grenzwerte und Alarme festlegen

Kernfrage: Wann wollen wir auf einen veränderten Zustand der Anlage oder eines Auftrages/Prozesses aufmerksam gemacht werden?

  • Welche Alarme sind kritisch und welche dienen der weiteren Beobachtung?
  • Welche Messwerte sind für den jeweiligen Prozess normal, welche nicht?
  • Welche normalen Messwerte brauchen wir ggf. immer (Stichwort Transparente Fabrik)?
  • Verändert sich die normalen Werte, wenn die Anlage in einer veränderten Umgebung (Temperatur etc.) betrieben wird?
  • Welche Grenzwerte wollen wir setzen?
  • Wie gestalten und kommunizieren wir Alarme?

Eine (zusätzliche) Sensorik kann ihre volle Kraft nur entfalten, wenn sich aus verändernden Zuständen und Messwerten auch Handlungen ergeben. Hierfür sind u. a. Alarme sehr wichtig. Allerdings müssen die Sensoreinstellungen zunächst gesetzt oder überprüft werden.

Zu Beginn kann es u. U. recht häufig zu nicht wirklich relevanten Alarmen kommen – dann müssen die Grenzwerte entsprechend angepasst werden.

Hinweis:

An diesem Punkt auch könnte auch bereits überlegt werden, ob eine künstliche Intelligenz zur Ermittlung von Grenzwerten und Alarmen beitragen kann. Schließlich kann es durchaus sein, dass eine solche Maschine bereits frühzeitig Zusammenhänge und Muster erkennt, die sonst nicht auffallen würden. Zudem lernt eine Maschine auch mehr, wenn sie mehr Zeit dafür hat und Machine Learning Systeme gibt es auch als Open Source. Es könnte sich also lohnen, eine solche Instanz einfach mitlaufen zu lassen – auch ohne einen konkreten Einsatzzweck bereits zu diesem Zeitpunkt zu definieren.

Aufgaben in Verbindung mit Alarmen oder handlungsrelevanten Messwerten definieren und beschreiben

Kernfrage: Wie sorgen wir dafür, dass die Aufgaben auch zuverlässig und gut erledigt werden?

  • Welche Aufgabe gehört zu welchem Alarm?
  • Welche Aufgabe ergibt sich aus welchen Messwerten (die keine Alarme sind)?
  • Wer kann und darf die Aufgaben übernehmen?
  • Welche Beschreibungen, Anleitungen und Hinweise sind für die jeweilige Aufgabe wichtig?
  • Wie werden diese Informationen zur Verfügung gestellt, ohne das danach gesucht werden muss?

Da wir die Zeitpunkte für auftretende Alarme und Messwerte nicht kennen, können wir die daraus resultierenden Aufgaben nicht immer vorab planen, sondern müssen auch ad-hoc reagieren können. Hierfür sind Informationen und Anleitungen und kurzer, prägnanter Form sehr wichtig.

Daten an einem Ort zusammenbringen

Kernfrage: Wie bringen wir alle Daten der Anlage an einem Ort zusammen?

  • Wie können wir die Daten der zusätzlichen Sensorik mit den anderen Daten aus der Maschine (wenn vorhanden) zusammenbringen?
  • Wie können wir die Daten gemeinsam auswerten?
  • Welche Anwendungen können wir hierfür nutzen?
  • Welche Protokolle oder Kommunikationslösungen (z. B. MQTT) können wir dafür nutzen?

Damit die Daten bestmöglich genutzt werden können, müssen diese gemeinsam angesprochen, benutzt, analysiert und ausgewertet werden können. Dies ist auch für den (späteren) Einsatz von Machine Learning Lösungen wichtig. Für einen einfachen Start kann dieser Schritt zunächst übersprungen werden und lediglich mit den Daten der zusätzlichen Sensoren gearbeitet werden.