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In einem Shopfloor-Management sind täglich unterschiedliche Aufgaben zu erledigen. Wie kann man diese einfacher und effizienter gestalten, ohne im Idealfall zusätzliche Investitionen tätigen zu müssen? Microsoft 365 erweist sich hier als überraschend vielseitig.

Werfen wir zunächst einen Blick auf die typischen Aufgaben und überlegen dann, mit welcher Herangehensweise und welchen Tools in Microsoft 365 Vereinfachungen und Verbesserungen beim Shopfloor-Management möglich sind. Hierzu betrachten wir ausschließlich Tools, die in fast allen MS-365-Paketen nutzbar – also im Normalfall bereits bezahlt – sind. Für die Umsetzung fallen daher keine zusätzlichen Kosten an.

Die Ausgangslage

Viele Shopfloor-Managementsysteme haben sich über Jahre oder gar Jahrzehnte etabliert. Gleichzeitig wurden die verbundenen Prozesse oft nicht konsequent weiter verbessert und mit Hilfe aktueller Tools gestaltet. So sind über die Jahre verschiedene, oft tägliche, Routinen entstanden, die von den Führungskräften vor Ort übernommen werden und täglich Zeit kosten.

Hier ein paar Beispiele:

  • Erstellen von (täglichen) Auswertungen
  • Schichtplanung
  • Verwalten und Organisieren von Rückmeldungen, Tickets und möglichen Verbesserungen
  • Maßnahmenpläne und deren Verwaltung
  • Gespräche vor Ort führen und dokumentieren

Viele der genannten Aufgaben werden mit Hilfe von Excel erledigt, obwohl dieses Tool hierfür nicht wirklich gut geeignet ist und damit genaugenommen zweckentfremdet wird. Zudem ist Excel ursprünglich nicht für eine reibungslose Zusammenarbeit oder für sich täglich ändernde lebende Dokumente ausgelegt.

Deshalb gehen diese Dateien dann auch immer wieder mal kaputt, Makros und Links funktionieren dann zum Beispiel nicht mehr richtig. Das alles kostet zusätzliche Zeit, die für Führungs- und Verbesserungsaufgaben vor Ort besser eingesetzt wäre. Das geht mit MS 365 viel besser.

Herangehensweise 1: Aufgaben klassifizieren

Was müssen wir also tun, um diese täglich anfallenden Aufgaben einfacher, schneller und effizienter zu gestalten?

Zunächst sollten wir uns darüber klar werden, um welche Typen von Aufgaben es sich handelt und diese klassifizieren. Doch welche Typen und Klassen gibt es?

Eine typische Aufgabe ist zum Beispiel das Erstellen von Auswertungen und Reports. Weitere sind:

  • Erfassung vielfältige Meldungen, beispielsweise Rück-, Qualitäts-, Instandhaltungs-, IT- und Störmeldungen sowie Hinweise für mögliche Verbesserungen
  • Schicht-, Weiterbildungs- und Urlaubsplanung
  • Erfassung und Aktualisierung von Aufgaben; Maßnahmenpläne und deren Verwaltung

Diese kurze Liste könnte und sollte natürlich individuell erweitert werden. Allerdings passen doch ziemlich viele der typischen Aufgaben im Shopfloor-Management bei genauer Betrachtung in die gerade genannten Klassen. Diese Typisierung der anfallenden, wiederholten Tätigkeiten ist ein wichtiger erster Schritt, um die weiteren Maßnahmen konsequent gestalten zu können.

 

Herangehensweise 2: Nicht mit klassischen Dateien, sondern mit Tools arbeiten – Datenerfassung, Datenhaltung und Auswertungen trennen


Für die Datenerfassung, Datenhaltung und das Erstellen von Auswertungen gibt es jeweils Tools, die extra dafür entwickelt wurden oder zumindest deutlich besser dafür geeignet sind als das klassische Office und insbesondere Excel. Sie werden deutlich besser fahren, wenn Sie diese Tools auch einsetzen und nicht versuchen, mit gewohnten Anwendungen weiterzuarbeiten. Dafür können Sie Aufgaben und die jeweiligen Prozessschritte mit folgenden Fragen einordnen:

  • In welchem Schritt erfassen wir Daten?
  • In welchen Schritten sammeln oder bearbeiten wir bereits erfasste Daten? Wie sollen die Daten weiterverarbeitet werden?
  • Welche Auswertungen soll es geben und wie sollen diese präsentiert werden?
  • Welche Dateien können wir ablösen und stattdessen konsequent bestimmte Tools einsetzen?

Wenn wir diese Fragen klar beantworten können, werden die folgenden Schritte und die damit verbundene Toolauswahl deutlich einfacher.

Doch bevor wir die folgenden Schritte genauer betrachten, werfen wir noch kurz einen Blick auf einen Vorteil, der für alle MS-365-Elemente gilt: Microsoft 365 ist von Grund auf für die Zusammenarbeit ausgelegt. Das bedeutet, Sie können alle Elemente mit Einzelpersonen oder Teams teilen. Ein bestehendes Element können Sie außerdem duplizieren und auf anderem Wege, beispielsweise in einer anderen Produktionsgruppe mit anderen Daten, wiederverwenden. Zudem kann man jeweils Schreib- und Leserechte teilen.

Tools und mögliche Lösungen

Datenerfassung mit MS Forms

MS Forms eignet sich sehr gut für die Datenerfassung. Schließlich heißt Forms so, weil es für das Erstellen von Formularen und das Erfassen der Formulareingaben entwickelt wurde. Sie können also alle Typen von Meldungen und auch Hinweise sowie Verbesserungsvorschläge mit einem jeweils dafür gestalteten Formular erfassen. Das ist übrigens sehr einfach und schnell erledigt. Das bringt gleich mehrere Vorteile:

  • Prozesse werden papierlos.
  • Die Formulare gehen nie kaputt.
  • Alle Eingaben werden automatisch an einem Ort gesammelt und können sowohl exportiert als auch weiter transportiert werden.
  • Die Daten haben automatisch immer das richtige Format – eine weitere Verarbeitung ist so deutlich einfacher.
  • Die Oberfläche funktioniert gut auf allen Geräten und sieht ansprechend aus.
  • Alle Meldungen laufen über die gleiche Oberfläche, die so funktioniert, wie man es aus dem Internet kennt. Der notwendige Lernaufwand geht gegen null.
  • Falls gewünscht, können die Namen der eintragenden Personen direkt miterfasst werden.
  • Wenn keine Namen erfasst werden, kann Forms auch ohne User und mit allen Geräten genutzt werden.
  • Die bestehenden Formulare können geteilt, dupliziert und wie gewünscht angepasst werden, ohne wieder von vorne beginnen zu müssen.
  • Andere Medien (z. B. Fotos) oder Dateianhänge sind schnell und einfach hinzugefügt.
  • Alle Anträge (z. B. Urlaub/Gleitzeit) können ebenfalls mit Forms abgebildet werden.

Wenn Sie Forms konsequent dafür einsetzen, papiergebundene Eingaben zu digitalisieren und alle notwendigen, im Shopfloor zu erfassenden Daten beziehungsweise Meldungen damit abbilden, sind Sie sehr gut vorbereitet, weitere Effizienz-Vorteile und Zeitersparnisse zu realisieren.

Datenhaltung mit MS Lists

Mit Lists hat Microsoft eine verbesserte Oberfläche für die Share-Point-Listen geschaffen. Diese ist deutlich ansprechender und zugänglicher als bisher. Zudem arbeitet Lists mit allen anderen MS-Tools gut zusammen und eignet sich daher besonders für die Datenhaltung – also für das Sammeln der Daten eines Prozesses, wie zum Beispiel Qualitätsmeldungen, an einem Ort.

Das klingt erstmal wenig spannend, bringt aber einige Vorteile. Natürlich bieten Listen keine vollständigen Datenbankfunktionen; allerdings kommen sie an manchen Stellen recht nah ran. So können Sie zum Beispiel auf Basis der gleichen Liste verschiedene Ansichten erstellen. Hier bieten sich insbesondere die Kalenderansicht, sofern das Datum eine Rolle spielt, und die Kanban-/Board-Ansicht, wenn eine Kategorie oder ein Status relevant ist, an.

Die zugrundeliegenden Daten sind immer dieselben und Änderungen werden auch automatisch in der Basisliste übernommen. Zusätzlich können einzelne Elemente jederzeit bearbeitet, ergänzt oder kommentiert werden – egal aus welcher Sicht sie angesteuert werden.

Automatische Auswertungen mit Power BI

Mit Power Bi können Dashboards erstellt werden, die immer aktuell sind. Liegen die Daten in einer Liste vor, ist das besonders einfach: Man muss nur den richtigen Knopf finden und klicken; dann entsteht das Dashboard vollautomatisch und kann auf Wunsch weiter angepasst werden. Auch gerade deshalb ist die Datenhaltung in Lists von Vorteil.

Aufgaben mit Planner/To Do

Alle Aufgaben gehören in ein Aufgabentool! Aufgaben mit Terminen und zugeordneten Verantwortlichkeiten haben in Mails oder anderen – nicht dafür gestalteten Tools – nichts zu suchen. Ein Tool wie Planner erleichtert die Priorisierung und Bearbeitung deutlich. Zudem arbeiten die Apps auch hervorragend mit anderen Tools wie Lists zusammen. Das heißt, dass Aufgaben zum Beispiel auch automatisch aus Listeneinträgen generiert und verteilt werden können.

Schichtplanung mit Schichten

Innerhalb von MS365 gibt es ein extra Tool für die Schichtplanung. Es heißt – was für eine Überraschung – „Schichten“. Das Tool baut auf dem Kalender auf und kann somit sehr gut für die Schicht-, Urlaubs- und Weiterbildungsplanung eingesetzt werden. Hierdurch entsteht immer ein guter Überblick und die notwendigen Entscheidungen können schneller und einfacher getroffen werden.

Prozessautomation mit PowerAutomate

Kommen wir zu einem besonders wichtigen Punkt: Mit Power Automate finden Sie in Microsoft 365 ein Tool für die Prozessautomation. Hiermit können alle genannten Tools automatisch verbunden und Prozesse beziehungsweise Aufgaben automatisiert werden. Microsoft nennt diese Automationen Flows.

So können Sie beispielsweise nahezu alle Auswertungen automatisch erstellen und niemand muss dafür täglich Arbeitszeit investieren. Hier ein Beispiel, wie die Tools zusammenarbeiten können:
Die Datenerfassung erfolgt in Forms. Die jeweiligen Einträge werden automatisch in eine Liste übernommen, welche mit einem Dashboard in Power BI verknüpft ist. Fertig!

Ähnliches funktioniert auch mit Meldungen zu Änderungen oder in Richtung der Instandhaltung: Datenerfassung in Forms, automatischer Transport in eine Liste für ein Dashboard; und zusätzlich wird automatisch eine Aufgabe in Planner erstellt und zugewiesen.

Klingt doch gar nicht schlecht, oder? Das beste daran ist übrigens: Es ist sehr einfach und alle oben genannten Flows stehen fertig als Vorlage zur Verfügung. Hier müssen Sie im Prinzip lediglich die Links zu den Elementen, die zusammenarbeiten sollen, eintragen.

Genauso können mit den Vorlagen auch Genehmigungsprozesse, zum Beispiel für Urlaub oder Weiterbildung, schnell und transparent gestaltet werden.

An einem Ort zusammenfassen

Zu einem guten Shopfloor-Management gehört auch ein Ort, an dem die relevanten Informationen und Kennzahlen für alle zugänglich präsentiert werden. Wenn die Prozesse digital sind, bietet sich natürlich auch ein digitales Shopfloor-Board an.

Das kann mit Hilfe einer Share-Point-Seite gut und schnell realisiert werden. Die Integration verschiedener Informationen an einem Ort könnte auch in Teams erfolgen – Share Point ist hier jedoch deutlich besser und vielfältiger nutzbar.

Und was ist mit SAP?

Vielerorts bilden SAP-Reports die Grundlage für wesentliche Elemente und Kennzahlen im Shopfloor-Management. Leider können diese nicht direkt in Lists übernommen werden. Das führt in allen Fällen, die ich ausprobiert oder beobachtet habe, nicht direkt zum gewünschten Ergebnis.

Doch es gibt eine Lösung: Microsoft bietet innerhalb von Automate einen SAP-Konnektor an. Dieser kostet zwar zusätzlich, doch der Einsatz kann sich oft lohnen, da Sie hiermit täglich Zeit sparen können

Einfacher, schneller, günstiger

Mit Microsoft 365 können Sie viele Aufgaben im Shopfloor-Management deutlich einfacher darstellen und weniger zeitintensiv bearbeiten. Zudem bietet die Power Platform – auch bereits ohne MS-Loop und Co-Pilot – viele Anknüpfungspunkte für zielführende Automationen von wiederkehrenden Aufgaben oder den Transport von Daten aus einer Anwendung in eine andere.

Die Zeitersparnisse können erheblich sein und Sie ermöglichen es auf diese Weise den Führungskräften vor Ort, wieder mehr Zeit in die eigentlichen Führungsaufgaben – wie das Entwickeln von Mitarbeitenden und das Verbessern der Prozesse – zu investieren.

Einfaches Shopfloor Management mit MS 365. Das hat sich bisher für alle gelohnt, die diesen Weg gegangen sind. Wer möchte, kann gerne mal nachfragen.

Dieser Artikel wurde bei Industry of Things veröffentlicht. Dort ist der Artikel registrierungspflichtig aber kostenlos.

Wie Sie mit Microsoft 365 das Shopfloor-Management vereinfachen

Hier gibt es den Impulsvortrag als Video. Es geht um Möglichkeiten, den Weg zur Smart Factory zu beschleunigen.

Dieser Vortrag war Teil des Programms bei Industrial Automation Stars Volume 5 und funktioniert auch in anderen Settings.

Dieser Vortrag ist Teil des Programms bei Industrial Automation Stars Volume 5 und funktioniert auch in anderen Settings.

Die Bilder zeigen einen kleinen Auszug.

In einem Shopfloor-Management sind täglich unterschiedliche Aufgaben zu erledigen. Wie kann man diese einfacher und effizienter gestalten, ohne im Idealfall zusätzliche Investitionen tätigen zu müssen? Microsoft 365 erweist sich hier als überraschend vielseitig.

Grundüberlegungen und Beispiele sind in diesem Artikel bei Industry of Things zusammengefasst. Der Artikel ist registrierungspflichtig aber kostenlos.

Wie Sie mit Microsoft 365 das Shopfloor-Management vereinfachen

Was verbirgt sich hinter der Abkürzung MES und was genau ist eigentlich die Aufgabe solcher Systeme?

Was ist eigentlich OPC UA und warum wird diese Architektur in Smart Factories oft eingesetzt?

Was ist eigentlich IPA und was hat das mit exzellenten Prozessen zu tun?

Wofür steht RPA und was kann diese Technologie?

 

 

Digitales Lernen – oder genauer digital unterstütztes Lernen – in der Fertigung wird immer wichtiger. Hier ist derzeit ein Trend zu beobachten und viele Unternehmen sind derzeit dabei, digitales Lernen in der Fertigung zu stärken oder zu entwickeln. Es ist allerdings nicht ganz so einfach, digitales Lernen in der Fertigung zu etablieren wie vielleicht in anderen Unternehmensbereichen. Um die damit verbundenen Chancen erfolgreich nutzen zu können, müssen verschiedene Hürden genommen und bestimmte Voraussetzungen geschaffen werden. Hier gibt es einen Überblick, was wichtig ist, um digitales Lernen in der Fertigung wirklich zum Laufen zu bringen. Beginnen wir dennoch mit den Chancen, die damit verbunden sind.

Große Chancen

Schnelles Lernen und spezifische Hilfe

Digitales Lernen ermöglicht schnelles und zeitunabhängiges Lernen vor Ort. Digitale Inhalte stehen grundsätzlich immer zur Verfügung und können genau dann genutzt werden, wenn sie gebraucht werden oder es gerade einfach gut passt. Digitale Inhalte funktionieren auch, wenn gerade keine Person anwesend ist, die helfen könnte. Das ist besonders im Schichtbetrieb ein entscheidender Vorteil, wenn z. B. in der Nachtschicht eine Frage nicht beantwortet werden könnte.

Neue Fähigkeiten und Tipps & Tricks für bessere Produktivität

Hier ist übrigens ein erster bedeutender Unterschied im Vergleich zu anderen Unternehmensbereichen zu finden: Lernen in der Fertigung muss oder sollte sich nicht nur auf neue Fähigkeiten, sondern insbesondere auch auf interaktive Anleitungen zur Störungsbehebung, Tipps und Tricks zur Maschineneinstellung, zum Rüsten, zu Prozessen usw. beziehen.

Sind solche Inhalte schnell verfügbar und ansprechend gestaltet, dann werden auch Störungen schneller behoben, Wartezeiten für Antworten auf Fragen verringert usw. Hier steckt in den meisten Unternehmen ein deutliches Potenzial für eine Produktivitätssteigerung.

Natürlich sollte gleichzeitig das Lernen neuer, für die Zukunft wichtiger, Fähigkeiten und Kenntnisse nicht vernachlässigt werden….

Doch diese für die Zukunft wichtigen Elementen und spezifischen Hilfestellungen zur Verbesserung der Abläufe in der Fertigung sind noch lange nicht alles.

Erfahrungsschätze sichern

Heute besteht zusätzlich für viele Unternehmen eine weitere große Herausforderung: die Kombination aus Demografie und Fachkräftemangel. Während viele Personen aus der Nachkriegsgeneration (demnächst) in Rente gehen, gibt es gleichzeitig Schwierigkeiten, freie Stellen mit gut ausgebildeten Fachkräften zu besetzen. Dadurch entstehen gleich mehrere gravierende Probleme. Zum einen steigen die Aufwendungen und Zeitbedarfen für das Anlernen neuer Kräfte. Zum anderen – und vielfach noch deutlich gravierender – verlieren die viele Unternehmen einen großen Erfahrungsschatz, wenn viele Personen altersbedingt das Unternehmen verlassen, ohne dass deren Erfahrungen für das Unternehmen gesichert werden. Wir sprechen ja nicht ohne Grund von einem Erfahrungsschatz – diese Erfahrungen haben einen großen Wert.

Genau hierdurch entsteht neben dem Lernen neuer, in Zukunft immer wichtigerer Fähigkeiten und der oben erwähnten Produktivitätssteigerung eine weitere Chance im Zusammenhang mit digitalem Lernen in der Fertigung. Die Erfahrungen der langjährigen Mitarbeitenden können mit Hilfe digitaler Inhalte für das Unternehmen gesichert werden.

Typische Hürden

Hier sind die typischen Hürden, auf die fast alle Unternehmen stoßen, die sich intensiv mit digitalem Lernen in der Fertigung beschäftigen zusammengefasst.

  • das Content-Problem
  • die Knowhow-Herausforderung
  • das Produktivitäts-Dilemma

Das Content-Problem – die Inhalte müssen spezifisch sein und ändern sich schnell

Die Aufgaben und Arbeitsplätze in der Fertigung sind meist sehr spezifisch und unterscheiden sich zusätzlich noch nach Produkt, Auftrag und Prozess. Hier müssen oder sollten demnach auch sehr spezifische Lerninhalte zur Verfügung stehen. Denn diese spezifischen Inhalte sind es, die wirklich etwas bringen und damit auch den Menschen vor Ort ein wirklich brauchbares und direkt einsatzbares Lernangebot machen.

Während in vielen anderen Unternehmensbereichen auch übergreifende oder allgemeinere Inhalte gut zum Lernen nutzbar sind, gibt es in der Fertigung deutlich spezifischer und weniger übertragbare Anforderungen an die Inhalte und Lernangebote. Das ist nicht ganz einfach, denn spezifische Inhalte bedeuten auch sehr viele Inhalte. Wir müssen alle davon ausgehen, dass wir für digitales Lernen in der Fertigung im Schnitt deutlich mehr Inhalte brauchen als z. B. in den Bürobereichen, wo viele Inhalte (in gleicher Form) von vielen sinnvoll eingesetzt werden können.

Wie bekommen wir diese notwendigen, spezifischen und zahlreichen Inhalte ist eine Frage, die lieber früher als später geklärt werden sollte. Hier einfach alles von (e-learning) Agenturen oder dafür eingesetzten Unternehmensbereichen produzieren zu lassen ist auf Dauer keine Option, da es schlichtweg zu teuer wird. Außerdem entstehen in der Fertigung immer wieder Verbesserungen, Prozessanpassungen und veränderte Arbeitsweisen, durch die Lerninhalte immer wieder  – und deutlich häufiger als sonst – angepasst werden müssen. Auch das kann teuer werden.

Für die Erstellung oder Produktion der Lernangebote und Medien für das digitale Lernen in der Fertigung sollten wir also andere Wege ins Auge fassen. Hier bieten sich deshalb auch immer wieder insbesondere interne Lösungen/Ressourcen und Multiplikatoren an, die sich um die Erstellung der Lernmedien und -inhalte kümmern. Diese Überlegung führt uns dummerweise direkt zur nächsten typischen Herausforderung.

Die Knowhow-Herausforderung – wer sich in der Fertigung auskennt, kennt sich nicht mit Lerninhaltsproduktion und -design aus

Die Entwicklung, Gestaltung und Produktion guter digital unterstützter Lernangebote ist per se gar nicht so einfach. Hierfür braucht es besonderes Knowhow.

Ein gutes Lernangebot sollte z. B. immer Lernprozesse und unterschiedliche Lerntypen berücksichtigen. Es ist also zumindest ein Grundwissen notwendig, wie Menschen gut lernen können und wie ein solcher Prozess gestaltet werden sollte.

Zusätzlich braucht es Wissen, wie (interaktive) Lernmedien z. B. Videos, Quizze, spielerische Elemente, Digitale Schnitzeljagden und weitere Elemente erstellt und genutzt werden können. Gute Lernangebote leben schließlich von Abwechslung und der Auswahl geeigneter Methoden und Ansätze für den jeweiligen Zweck im Lernprozess. Genauso sollten Lernziele präzise formuliert sein – nicht nur, um den Erfolg messen zu können, sondern insbesondere um gute und wirklich passende Angebote gestalten zu können.

Es sind also gleich eine ganze Reihe von Fähigkeiten notwendig, um digitale Lernprodukte erfolgreich und zweckorientiert anbieten zu können. Allerdings sind diese Fähigkeiten heute in Unternehmen noch nicht ausgeprägt vorhanden. Wenn hier schon Kompetenz entwickelt und aufgebaut wurde, dann meist (oder eigentlich immer) sicher nicht in der Fertigung.

Das ist eine besondere Herausforderung. Zum einen ist die Kompetenz – wenn überhaupt – nicht in der Fertigung vorhanden und zum anderen brauchen wir genau die Kompetenz, die nur in der Fertigung vorhanden ist, um die notwendigen wirklich spezifischen Inhalte (s.o.) erstellen und anbieten zu können.

Für diese Herausforderung gibt es verschiedene Lösungsansätze:

  • interdisziplinäre Teams
  • externe Unterstützung
  • gezielter Knowhow-Aufbau, bestenfalls direkt in der Fertigung

Meiner Beobachtung nach wurden die besten Erfolge jeweils erzielt, wenn die oben genannten Ansätze in cleverer Art und Weise kombiniert wurden. Insbesondere der Knowhow-Aufbau in der Fertigung (mit externer Unterstützung) hat sich immer als wirklich fruchtbar gezeigt. Es entfaltet einfach eine andere Wirkung, wenn die eigenen Kolleg:innen plötzlich konkrete und passende Angebote selbst entwickeln und gestalten. Da wird sicher weniger gemeckert und der Austausch mit oder zu Inhalten fällt im Anschluss deutlich leichter.

Das Produktivitätsdilemma – wenn Lernen und Produktivität immer konkurrieren, wird es nicht funktionieren

Lernen braucht Zeit und Zeit ist in der Produktion immer knapp. Grundsätzlich konkurriert die Lernzeit immer mit der direkt produktiven Zeit. Natürlich dient das Lernen auch der Verbesserung der Produktivität, dennoch treten diese Effekte im Normalfall erst nach einiger Zeit auf und die Lernzeit ist zunächst einmal eine Einschränkung der Produktivität. Menschen können nun mal nicht an 2 Orten gleichzeitig sein und tun sich schwer damit, 2 wichtige Dinge gleichzeitig fokussiert zu erledigen.

Hier ist insbesondere das Management gefragt, einen sinnvollen Rahmen zu schaffen. Wenn die Lernzeit immer mit der Produktivität konkurriert und es dazu keine Regelungen gibt, wird digitales Lernen in der Fertigung nicht funktionieren. Produktivität wird dann immer das vorrangige Ziel sein – schließlich wird Produktivität immer gemessen und die Führungskräfte im Shopfloor müssen sich für Einschränkungen der Produktivität immer wieder rechtfertigen.

Wenn das digitale Lernen einfach als zusätzliche Aufgabe „oben drauf gepackt“ wird passiert – nichts!

Eine solche Initiative wird weder als ernsthaft noch als glaubwürdig wahrgenommen werden. Produktivität geht dann halt immer vor und deshalb wird nicht wirklich gelernt.

Wenn wir mit digitalem Lernen erfolgreich sein wollen, müssen wir also Regelungen für Lernzeiten schaffen, die sich auch in der Produktivitätsbetrachtung wiederfinden. Nur so können wir einen ernsthaften und glaubwürdigen Ansatz definieren und vertreten.

Notwendige Voraussetzungen

Personen und Nutzer

In der Fertigung herrschen andere Verhältnisse. Oft ist es laut und unruhig. Die verfügbaren Computer dienen zumeist bestimmten Zwecken und können nicht unbedingt genau so betrieben werden wie „normale“ Computer, da Änderungen hier umfangreiche Auswirkungen auf die Produktion haben können. Auch hat nicht jede Person in der Fertigung ein eigenes digitales Arbeitsgerät wie in den anderen Unternehmensbereichen. Manche Personen haben vielleicht noch gar keinen Zugang oder Nutzer-Account zum Unternehmensnetzwerk oder auch keine E-Mail-Adresse, mit der sie zuverlässig erreicht werden können. Zudem stellt sich die Frage, welche Vorerfahrungen in der Computernutzung bestehen, ob aktuelle Bedienkonzepte bekannt sind usw. Schließlich könnte es sein, dass Computer in der Fertigung und damit im Arbeitsleben bisher eine untergeordnete Rolle gespielt haben und nicht wie in anderen Unternehmensbereichen seit Jahrzehnten täglich genutzt werden. Manchmal brauchen bestimmte Personen hier zunächst besondere Unterstützung und Lernangebote, die sich mit der allgemeinen Computernutzung beschäftigen. Das ist heutzutage allerdings nur noch selten der Fall und wird in meinen Augen häufiger eher als Ausrede genutzt.

Falls nicht alle Personen bereits User-Accounts haben, sollte nicht vergessen werden, dass mit neuen Accounts einige Pflichtaufgaben anfallen. Schließlich müssen üblicherweise Grundlagenschulungen Datenschutz und Cyber-Security und ggf. weitere Schulungen dafür durchgeführt und dokumentiert werden.

Während es in vielen Unternehmensbereichen direkt mit digitalen Lerninhalten los gehen kann, müssen in der Fertigung also auf jeden Fall zunächst die vorhandenen Voraussetzungen geprüft und ggf. verbessert werden.

Hard- und Software

Digital unterstütztes Lernen braucht zunächst unbedingt geeignete Geräte und einen (persönlichen) Zugang zu den Inhalten. Hier sollen dann oft ausgediente Laptops usw. zum Lernen genutzt werden. Hiervon rate ich ab. Dies ist zum einen eine nicht wirklich starke Wertschätzung gegenüber den Lernenden, sondern zum anderen auch ein Zeitfresser, wenn diese Geräte zu langsam sind, Updates zu Verzögerungen führen oder Videos nicht immer ruckelfrei laufen. Hier sind aktuelle Tablets oder Laptops, die auch günstig zu bekommen sind, oft die bessere Wahl. An diese Geräte können dann auch einfach (private) Kopfhörer angeschlossen werden und das Bedienkonzept ist auch im privaten Umfeld stark verbreitet und somit bekannt.

Auch von der Nutzung von sogenannten Shopfloor- oder Kiosk-PC zum individuellen Lernen rate ich eher ab, da diese Geräte ganz unterschiedliche Informationen bereitstellen, die immer wieder ad-hoc gebraucht werden und somit die Lernenden regelmäßig unterbrochen werden. Andererseits eignen sich aufgrund der großen Bildschirme viele Kiosk-PC wirklich gut, um gemeinsam digital unterstützt zu lernen.

Grundsätzlich sollten alle Lerngeräte so eingerichtet sein, dass sie auch gut von wechselnden Usern (ohne aufwendige Profile) genutzt werden können.

Normalerweise können die meisten Lernangebote auch gut mit bereits vorhandenen Anwendungen präsentiert und durchgeführt werden, in dem z. B. SharePoint, Stream, Forms usw. genutzt wird. Wichtig hierbei ist immer ein leichter Zugang (keine umständlichen, wiederholten Log-Ins) und ein schnelles Finden (passgenaue Kategorien/Angebote – nicht alle) der jeweiligen Angebote. Das sollte bei jeder Lösung auf jeden Fall fokussiert werden.

Etwas aufwendiger wird es jedoch, wenn die Lernaktivitäten automatisch vollständig dokumentiert und ggf. auch Teilnahmebescheinigen, Zertifikate oder Badges generiert werden sollen. Hierfür – und auch für weitere vielfältige Möglichkeiten – lohnt es sich ein Lern-Management-System (LMS) einzusetzen. Diese Anwendungen gibt es in großer Zahl und wie immer auch als Open-Source-Lösung.

Lernorte und -zeiten

Während in den Büros die Frage „wo kann ich lernen?“ eigentlich gar nicht auftaucht, muss in der Fertigung auch über geeignete Lernorte nachgedacht werden. Lernen funktioniert möglichst fokussiert und ungestört einfach besser. Wo sind solche Orte in der Fertigung vorhanden oder wie können sie geschaffen werden? Gibt es Möglichkeiten, fertigungsnahe Büroräume in Lernräume zu verwandeln und wie sollen diese dann aussehen? Andererseits kann es auch durchaus realistisch sein, direkt an der Maschine oder am Arbeitsplatz, Lernangebote zu nutzen. Das kommt aber sehr stark auf die Art der Fertigung und die jeweils laufenden Prozesse an und kann daher nur in seltenen Fällen eine vollständige Lösung, sondern vielleicht eher ein zusätzliches Angebot sein.

Zusammenfassung

Digital unterstütztes Lernen in der Fertigung bietet große Chancen – nicht nur für das Lernen wichtiger Zukunftsfähigkeiten und die Steigerung der Produktivität, sondern auch im Kontext Fachkräftemangel und Demografie. Es braucht jedoch einen speziell auf die Fertigung zugeschnittenen Ansatz, damit typische Hürden übersprungen und passgenaue, vielfältige Lernangebote entstehen können. Zudem müssen in der Organisation auch entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit Lernzeiten nicht immer mit Produktivität konkurrieren. Des Weiteren ist ein genauer Blick auf die technischen, räumlichen und persönlichen Voraussetzungen notwendig, um das digitale Lernen in der Fertigung wirklich zum Laufen zu bringen. Werden diese Punkte berücksichtigt, dann wird digitales Lernen in der Fertigung ein klarer Vorteil für das Unternehmen sein. Dies haben bereits verschiedene erfolgreiche Ansätze in dieser Form klar gezeigt. Insbesondere Multiplikatoren-Modelle und eine Investition in mehr Lern-Knowhow für Personen aus der Fertigung haben sich bewährt. Wer mehr dazu wissen möchte, kann mich gerne ansprechen.